Ramblings & Reflections Blog von Till Wagner

Interview mit Yael Kupferberg über 'Zum Bilderverbot'

Im November des letzten Jahres ist die neue, sehr lesenswerte Monographie von Yael Kupferberg über das Spätwerk Max Horkheimers und die Rolle des Judentums für die Kritische Theorie erschienen. Ich durfte mich mit ihr für den Blog des Journals of the History of Ideas über Zum Bilderverbot unterhalten. Das Interview, das hoffentlich zur Lektüre des Buches anregt, ist hier zu lesen.

Ergänzung vom 07.07.2023: Zum 50. Todestag Max Horkheimers ist das Interview nochmal erweitert und auf Deutsch auf Sozipolis erschienen.

Versuch über Ulrich Sonnemann und Vilém Flusser als ungleiche Denker des Visuellen

Im Sommer 1946 schildert Gershom Scholem Hannah Arendt in einem Brief seinen Eindruck der intellektuellen Atmosphäre im Nachkriegsdeutschland: „Würden die Amerikaner heute Heidelberg räumen, würde Jaspers…” – Karl Jaspers ist von November 1945 bis Herbst 1949 Mitherausgeber der Monatszeitschrift „Die Wandlung”, welche ihrem Selbstverständnis nach an der Entwicklung einer demokratischen politischen Kultur im postnationalsozialistischen Deutschland mitwirken will –„ […] nach 3 Tagen tot sein.1 Mehr als eine Dekade nationalsozialistische Herrschaft, Massenmord und die Emigration derer, die das Glück hatten entkommen zu können, ließen nur wenig übrig von einer während der Weimarer Republik vielfältig vorhandenen Geistes- und Wissenschaftslandschaft. Die folgende Betrachtung nimmt ihren Ausgangspunkt in der Rückkehr zweier Emigranten in das Geistesleben der Bundesrepublik einige Jahrzehnte nach dem zitierten Brief Scholems an Arendt. Sie erzählt eine Geschichte über das intellektuelle Klima des Nachkriegsdeutschlands, in welchem sich zwei aus ihrem Exil nach Europa zurückgekehrte jüdische Intellektuelle einer sich intellektuell gebenden Neuen Rechten gegenübersehen. Die Debatte verweist zudem auf Parallelen in den Denkbewegungen von Ulrich Sonneman und Vilém Flusser – zweier Denker, die beide dezidiert über die technologische und mediale Bedingtheit des „Menschlichen” sowie über die Rolle des Bildhaften für des subjektive und gesellschaftliche Bewusstsein nachdachten, aufgrund ihrer idiosynkratischen Herangehensweisen jedoch häufig singulär betrachtet werden.

Gerd Bergfleth, der 1936 geboren wird, Philosophie, Literatur und Gräzistik studiert und seit Mitte der 1970er Jahre die Werke von Georges Bataille und Jean Baudrillard ins Deutsche übersetzt, publiziert seit 1978 in der Zeitschrift „Konkursbuch”, welche sich als kritisches Gegenprojekt gegen das für die westdeutsche Studentenbewegung höchst relevante “Kursbuch” verstand. Bereits 1978 publizierte Bergfleth hier einen Aufsatz mit dem Titel „Kritik der Emanzipation”2, in welchem er „Vernunft” und „Emanzipation” – gemeinhin Leitideen des linken Milieus, welchem das publizierende „Konkursbuch” entstammt – einer grundsätzlichen Kritik unterzieht: Anders als beispielsweise Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in ihrer „Dialektik der Aufklärung” – gegen die sich Bergfleth explizit wendet – identifiziert er in dem Aufsatz keine regressiven Momente innerhalb des aufklärerischen Denkens, welche in ihrer Verwirklichung die Aufklärung in ihr Gegenteil verkehren, sondern kritisiert und verwirft Vernunft und Emanzipation pauschal als Wegbereiter einer nahenden technokratischen Herrschaft.

Eine kritische Entgegnung auf diese Absage an Emanzipation als Leitidee wird durch einen Autoren verfasst, welcher dem weiteren Umfeld der „Frankfurter Schule” zuzurechnen ist, jedoch vergleichsweise wenig Resonanz erfahren hat: Ulrich Sonnemann, der aufgrund seiner antifaschistischen Haltung und seiner jüdischen Herkunft 1933 das nationalsozialistische Deutschland verlässt, 1940 in Belgien festgenommen wird, in Frankreich nacheinander in den Lagern Le Viegeant, St. Cyprien und Gurs interniert wird, 1941 in die USA emigriert, und nach seiner Rückkehr nach Deutschland Mitte der 1950er Jahre mit der Kritischen Theorie rund um das Institut für Sozialforschung in Kontakt kommt, schreibt 1980 für die fünfte Ausgabe des „Konkursbuchs” einen Beitrag, der den Bergfleths in seiner regressiven Tendenz kritisiert.3 Er ist zweifach charakteristisch für Sonnemann: Zum einen steht er exemplarisch für sein regelmäßiges Eingreifen in gesellschaftliche Debatten der Bundesrepublik. So äußert sich Sonnemann in den 1960er und 1970er Jahren unter anderem in der Satirezeitschrift „Der Metzger” und im „Merkur” zu aktuellen Debatten und veröffentlicht 1970 eine Untersuchung zu deutschen Schulbüchern sowie ein Buch, welches den Skandalprozess um die vermeintliche Ermordung des Münchener Arztes Otto Praun und dessen Geliebten Elfriede Kloo von 1961/62 aufarbeitet und kurz nach seinem Erscheinen verboten und beschlagnahmt wird.

In seinen kritischen Eingriffen in das Zeitgeschehen drückt sich aus, was seine Philosophie im Allgemeinen auszeichnet: Das Beibehalten menschliche Spontaneität und Freiheit als Fluchtpunkte trotz ihres Ausbleibens, die feinfühlige Analyse der Bedingungen, die sie verhindert haben, das Offenlegen der Spuren, die die gesellschaftliche Herrschaft in den Menschen hinterlassen hat und die laut Sonnemann durch große Teile der philosophischen Tradition mit „dem Menschlichen” verwechselt werden. Spontaneität als nicht verwirklichte, menschliche Eigenschaft, durch welche im Zusammenhang mit erfahrender und reflektierender Wahrnehmung aus scheinbar vorgezeichneten Handlungsabfolgen ausgebrochen werden könnte, sowie die Bedingungen ihrer Verunmöglichung, ziehen sich als Leitmotiv durch Sonnemanns Werk. So trägt seine 1969 erschienene „Negative Anthropologie”4 den Untertitel „Vorstudien zur Sabotage des Schicksals” – welcher als Absage an jegliche determinierende und übergeschichtliche Tendenz zu verstehen ist, die philosophischer Anthropologie gemeinhin vorzuwerfen ist. Dem Anspruch des Titels folgend entfaltet Sonnemann in dem Werk den Kerngedanken, dass eine allgemeingültige, positive Bestimmung des menschlichen Wesens unmöglich sei, da ein Versuch der Bestimmung als Ergebnis nur jene Eigenschaften hervorbringen könnte, die die historisch gegebenen Bedingungen menschlicher Existenz als Spuren hinterlassen haben. In dieser antiaffirmativen Haltung von Sonnemanns „Negative[n] Anthropologie”, welche sich einer identifizierenden Bestimmung verneint und „das Menschliche” nur ex negativo und als erst zu verwirklichend in die Zukunft verlagert, zeigt sich eine Affinität zu Theodor W. Adornos „Negative Dialektik”, welche sich auch intertextuell durch einen Verweis in der Vorrede von Adornos Werk manifestiert.5 Ontologisierendes und abschließendes Denken, welches Sonnemann in seiner „Negativ(n) Anthropologie” parallel zu Adornos Kritik des identifizierendem Denkens als Fallstrick jeglicher positiven Anthropologie ausmacht, ist auch sein kritischer Zugriff auf Bergfleths „Kritik der Emanzipation”: Die so geartet Verwendung des Freiheits- und Emanzipationsbegriffes durch Bergfleht spiegelt sich nach Sonnemanns Analyse in den schiefen sprachlichen Bildern, welche jener in seiner Diskreditierung der Emanzipation aufwendet. So verkenne Bergfleths Rede einer „Freiheit selbst auf der Suche nach ihrer absoluten Grundlosigkeit” sowohl die historische Situiertheit von Befreiungsprozessen – welche Freiheit zum Ziel haben, sie aber bis zu gewissem Grade bereits voraussetzen –, als auch den negativen Charakter solcher Prozesse, die statt ex ante einen zu erreichenden Zustand zu identifizieren, sich am Gegebenen orientieren, Hindernisse identifizieren und negieren und dadurch Freiheit schrittweise ermöglichen. Sonnemann versteht Bergfleths Text deshalb erwiderungswürdig, da er ihn nicht singulär, sondern als Bestandteil einer größeren „Tendenzwende” nach rechts im deutschen Intellektualismus sieht: Die in Folge der identitätslogisch argumentierten Absage an Emanzipation und Freiheit entstehende Leerstelle drohe durch Versatzstücke reaktionärer Ideologie gefüllt zu werden, welche in ihrer Introspektion, Nostalgie und Todessehnsucht Wegbereitern des Nationalsozialismus, wie Oswald Spengler, nahesteht. Sonnemanns Kritik verdinglichten Denkens und dessen Affirmation von Herrschaft findet ihre Fortführung auch in seinem Projekt einer Transzendentalen Akustik, welches die Ausrichtung seines Spätwerks prägt und jüngst Thema einer Monographie von Martin Mettin wurde. Erkenntnisleitendes Interesse von Sonnemanns Reflektionen ist die Frage nach der historisch-gesellschaftlichen Entwicklung der Ausformung der menschlichen Sinne. Verdinglichendes Denken, welches sich der Herrschaft andient und welches bereits in seiner „Negative[n] Anthropologie” Ziel der Kritik ist, wird hier mit der hierarchischen Entwicklung der menschlichen Sinne kontextualisiert, welche in eine Dominanz registrierenden und objektivierenden Sehens über das erfahrende und reflektierende Hören mündet. Sonnemann verdichtet diese Geschichte der Wahrnehmung, welche er ideengeschichtlich auf die Opposition zwischen jüdischem Bilderverbot, welches im Kontext einer dialogischen Auslegungstradition steht, und dem Sehprimat der antiken griechischen Philosophie zurückführt, in dem Begriff der „Okulartyrannis” oder der „optischen Tyrannei”: Die Herrschaft einer instrumentellen und herrschaftsförmigen Weltwahrnehmung auf der sinnlichen Ebene, welcher im Sinne einer wirklich menschlichen Zukunft eine empathisch erfahrende Variante entgegengestellt werden müsste. In seinem 1987 erschienen Aufsatz „Zeit ist Anhörungsform. Über Wesen und Wirken einer kantischen Verkennung des Ohrs”6 macht Sonnemann deutlich, wie allumfassend und grundsätzlich sich die Vorherrschaft des registrierenden Sehens über das erfahrende Hören manifestiert: Er führt in einer ideengeschichtlichen Reflexion die dominante, lineare und sequentiell einteilbare Vorstellung von Zeit auf schauende und verräumlichende Wahrnehmung zurück. Sonnemann, der dieser Zeitvorstellung und -erfahrung eine akustisch fundierte, welche ihren Ursprung an der nicht linearen Eigenerfahrung von Herzschlag und Körper hat, entgegensetzt, geht es hierbei nicht nur um eine Kritik einer am Primat der Objektivität ausgerichteten Vernunft, welche keinen Platz für menschliche Sinneswahrnehmung lässt, sondern auch um eine Herrschaftskritik: Raum- und Zeitvorstellung, welche durch die von Sonnemann taxierte Sinneswahrnehmung bestimmt werden, sind, wie die Notwendigkeit von messbarer Zeit für die Kommodifizierung von Arbeit und die Disziplinierung der Gesellschaft zeigt, nicht von gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen zu trennen.

Vier Jahre nach Sonnemanns Replik auf Bergfleths „Kritik der Emanzipation” legt letzterer nach: Im Münchener Verlag Matthes & Seitz erscheint Bergfleths Sammelband, „Zur Kritik der palavernden Aufklärung”7, dem er als Autor vier Beiträge beisteuert. Einer dieser Beiträge mit dem Titel „Die zynische Aufklärung” bestätigt das Fortschreiten der Tendenzen, welche Sonnemann in seinem Aufsatz zur „Tendenzwende” ausgemacht hat: Bergfleth macht nun explizit die „zurückgekehrte deutsch-jüdische Intelligenz” dafür verantwortlich, dass im Zuge einer Umgestaltung Deutschlands nach deren „weltbürgerlichen Maßstäben” ein „eigenständige[r] deutsche[r] Geist” verloren gegangen wäre (S. 180). Dieser antisemitische Vorwurf einer Zersetzung der nationalen Eigenart durch Gedankengut, welches als jüdisch konnotiert wird, hat nicht nur eine lange Geschichte, sondern findet sich auch im verschwörungstheoretisch fundierten – und wie Martin Jay aufgezeigt hat, von der autoritären Linken bis zur extremen Rechten rezipierten– Diskurs um den sogenannten „cultural marxism”, in welchem eine karikaturhaft verzerrte Version der Frankfurter Schule für einen vermeintlichen Werteverfall verantwortlich gemacht wird.

Auch ideengeschichtlich projiziert Bergfleth die ausgemachte Misere von Entwurzelung in der Moderne auf „den mächtigen Einfluß […], den das säkularisierte Judentum auf die aufklärerische Moderne ausgeübt hat.” (S. 181) Folglich fordert Bergfleth auch – keine 40 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz –, dass der „ewige” Hinweis auf den Antisemitismus ein Ende haben müsse und im Gegenteil zu fragen sei, „was der Prosemitismus der Linken” anrichtete (S. 181). In seiner projektiven Phantasie, welche auf tradierte antisemitische Bilder – die Juden als „zersetzende”, heimatlose Gruppe, welche für alle negativen Begleiterscheinungen der Moderne verantwortlich seien und welche durch die Propagierung des Universalismus „deutsche Eigenart […], etwa die romantische Sehnsucht, die Verbundenheit mit der Natur, oder die nicht auszurottende Erinnerung an eine heidnisch-germanische Vergangenheit” (S. 181) vernichten würden – zurückgreift, kommt Bergfleth zu Schlüssen wie „Demokratisierung heißt Anpassung, und Anpassung heißt Gleichschaltung” (S. 186) und schließlich zu der auffordernden Feststellung, dass ein „Untergang im Sinn des Neuanfangs” herbeizuführen wäre. Bergfleth hat nun also die von Sonnemann hellsichtig erkannte Tendenzwende vollständig vollzogen indem er sich nicht nur explizit antisemitischer Bilder und Denkmuster bedient, sondern in der vermittelten Todes- und Auferstehungssehnsucht auch das von Roger Griffin in „The Nature of Fascism”8 als Kernelement faschistischer Ideologie ausgemachte Konzept der Palingenese als Fluchtpunkt seiner Überlegungen setzt.

Über den Zwischenschritt eines Artikels von Hans-Joachim Lenger in der Zeitschrift „Spuren in Kunst und Gesellschaft”9 findet Bergfleths Text die Aufmerksamkeit des 1972 nach Europa zurückgekehrten Medienphilosophen Vilém Flusser. 1920 in Prag geboren flieht der einer jüdischen Akademikerfamilie entstammende Flusser 1939 nach Eingliederung der damaligen Tschechoslowakei in das „Protektorat Böhmen und Mähren” durch NS-Deutschland zunächst nach London, von dort weiter nach Brasilien. Dort entfaltet Flusser ab den 1950er Jahren eine produktive philosophische Tätigkeit, die sich in einer Vielzahl von Manuskripten, Artikeln und Büchern – geschrieben auf Englisch, Französisch, Portugiesisch, Deutsch und Tschechisch – niederschlägt und sich auch nach seiner Rückkehr nach Europa 1972 fortsetzen wird. Flussers Denken ist geprägt durch die Erfahrung des Holocaust – seine gesamte Familie wird in Konzentrationslagern ermordet – und des Exils und geschult am Existentialismus Heideggers und der Phänomenologie Husserls. Der nationalsozialistische Massenmord wird in seinen Schriften selten explizit Thema, ist jedoch insofern Subtext, als Flusser nach den kulturellen und technologischen Bedingungen sowie ihren Wirkungen auf den Menschen fragt, welche in der Moderne dominant wurden und, seiner Ansicht nach, am Aufstieg des Faschismus beteiligt waren. In seinem Denken spielt, die Form der Medialität von Gesellschaft eine enorme Rolle, da sie Denken und Selbstverständnis des Menschen prägt. In „Lob der Oberflächlichkeit”10 skizziert Flusser eine Art Geschichtsphilosophie, welche sich auf die Art der „Codes” konzentriert, welche die als kommunikatives Netz vorgestellte Gesellschaft fundieren und konfigurieren: Die Einführung der linearen Schrift hätte die Dominanz der „magisch” wirkenden und unmittelbar wahrnehmbaren Bilder gebrochen und durch die sequentielle Anordnung der Zeichen hintereinander ein gesellschaftliches Zeitbewusstsein geschaffen. Aus der Potentialität der auch Zahlen umfassenden linearen Schrift, welche Natur beschreibbar und letztlich beherrschbar macht, entwickelt sich nach Flusser die Moderne und letztlich, über den Schritt der Erfindung der Fotografie, das technisch-digitale Medienuniversum, welches unsere gegenwärtige Lebenswelt prägt. Aus dieser medien- und technologiezentrierten Perspektive sind es die Umbrüche in der so fundierten kommunikativen Struktur der Gesellschaft, welche historische Entwicklungen erklären: Die entfremdenden und verdinglichenden Folgen von Technologisierung, Bürokratisierung und instrumenteller Wissenschaft sind für Flusser, wie er in seinem nie veröffentlichten Manuskript „Unto the Third and Fourth Generation”11, entstanden in den 1960er Jahren, darlegt, die fatalen Grundlagen für Nationalsozialismus und antisemitischen Massenmord. Die bereits hier anklingende medien- und technologiekritische Perspektive, welche das bildhaft „magische” Denken der Idolatrie dem kausalen Denken der Schrift und dem „nachgeschichtlichen” Denken der Digitalkultur gegenüberstellt, zieht sich als Strang durch Flussers Werk. So verweist Flusser in seinem 1983 publizierten „Für eine Philosophie der Fotografie”12, nachdem er den historischen Widerstreit zwischen „magisch” wirkenden Bildern und geschichtliches Bewusstsein stiftenden Texten skizziert hat, auf die gesellschaftlichen Gefahren, die sich aus der Dominanz der durch die Erfindung der Fotografie entstandenen „technischen Bilder” und den resultierenden Veränderung des Bewusstseins und der Kommunikationsstruktur ergeben: Die Bilder übersetzen die Realität in scheinbar eindeutige Sachverhalte und befreien die Betrachtenden von der Notwendigkeit des begrifflichen Denkens. Gleichzeitig erkennt Flusser im Fotoapparat und allgemein in der Vielzahl nun präsenten Apparate eine eigene Machtsphäre, welche die Menschen zu Funktionären der Apparate macht und somit wirkliche Autonomie verhindert. Diese Kritik weist augenscheinliche Parallelen sowohl zu Sonnemanns Kritik der „Okulartyrannis” auf – beide verstehen die Dominanz der Bilder als potenziell reflexionshemmend – als auch zur Kritik der „Kulturindustrie” der Kritischen Theorie. Während letztere jedoch einen gesellschaftskritischen Ansatz verfolgt, und zwar Medien und Technologie mit in den Blick nimmt, letztlich diese aber in erster Linie auf ihre herrschaftsförmige Funktion hin befragt und immer auf die materielle Basis rekurriert, bleibt Flussers phänomenologischer Blick an Technik und Medien hängen. In seiner Übertragung von gesellschaftlichen Dynamiken auf die Ebene der Technik, bei gleichzeitiger Ausblendung von Ideologie, materieller Basis und Gruppeninteressen, ähnelt Flussers Ansatz einer Weiterentwicklung der Thesen, die Martin Heidegger bereits 1954 in „Die Frage nach der Technik”13 formuliert hat.14 Im Gegensatz zu Heidegger formuliert Flusser jedoch an verschiedenen Stellen einen utopischen Entwurf einer menschlich-technologischen Zukunft, in welchem durch weitgehende technologische Automatisierung ein Freiheitsgewinn für alle Menschen errungen wird. Im Zentrum dieser utopischen Vorstellung steht, wie in seinem Aufsatz „Vorschrift. Nachtrag zur Schrift”15, veröffentlicht im August 1985 in den „Spuren in Kunst und Gesellschaft”, die Verwirklichung Dialogischer Kommunikation – womit sich auch auf Ebene des dem überwältigenden Bildhaften Entgegengesetztem eine Parallele zu Sonnemann zeigt, welcher das erfahrende Hören im Gegensatz zum registrierenden Sehen ebenfalls mit dem Dialogischen konnotiert. Diesem Aufsatz beigefügt ist eine Leserbrief Sonnemanns, der sich direkt an Bergfleth richtet und sich auf dessen „Die zynische Aufklärung” bezieht: Er versteht Bergfleths antisemitischen Text als jüdischer Autor, der inzwischen wieder auf deutsch publiziert, als direkt ihn betreffend und verdeutlicht gleichzeitig, dass jener Antisemitismus der Grund war, warum er über Jahre nicht mehr deutschsprachig publizierte.

In der gleichen Ausgabe der „Spuren in Kunst und Gesellschaft” wird ein Auszug von Sonnemanns Replik auf Bergfleth von 1980 mit einem Nachsatz Sonnemann zur aktuellen Auseinandersetzung abgedruckt: Er stellt fest, dass die in seiner fünf Jahre zuvor prognostizierte Tendenzwende sich in Bergfleths Fall manifestiert hat, dass dieser aufgrund verschlossener Ohren die kritische Replik nicht wahrnahm und an Vilém Flusser gerichtet, dass dieser die Wahl der Publikationssprache nicht von Bergfleth abhängig machen solle.

In den über 30 Jahren, die seit der dargestellten Auseinandersetzung vergangen sind, hat sich weltweit die dominante mediale Struktur auf so enorme Weise verändert, dass der philosophische Subtext der Auseinandersetzung – die kritisch bis utopische Medientheorie Flussers und die Anthropologiekritik und Sinnesphilosophie Sonnemanns – wohl eher an Relevanz zu-, statt abgenommen hat. Für die seit mindestens einer Dekade stark drängende Frage, wie die suggestive Macht der in den sozialen Medien algorithmisch vermittelte auf uns einströmende Masse an vor allem bildhaften Inhalten gesellschaftlich und politisch einzuordnen und zu kritisieren ist, wäre es ein fruchtbares Unterfangen, sich die Werke beider Denker ins Gedächtnis zu rufen. Dabei ist trotz der scheinbar diametralen Fundamenten ein synergetisches Vorgehen denkbar: Flussers hellsichtiger und phänomenologischer Blick auf die technologische und mediale Infrastruktur könnte durch Sonnemanns Kritik von Ontologisierung und Anthropologisierung ergänzt werden, um nicht verkürzend gesellschaftliche Dynamiken auf die „Apparate” zu projizieren, sondern eine tatsächlich herrschaftskritische Perspektive einnehmen zu können. Anlässe dazu gibt es genug: In Kreisen der Neuen Rechten und des Umfelds des sogenannten „Dark Enlighenments” lebt die Absage an Emanzipation und Aufklärung, wie Sonnemann sie bei Bergfleth diagnostizierte, teilweise gekoppelt mit einem technologisch konzeptualisierten Akzelerationsimus, fort. Angesichts dieser Bedrohungen ist kritisch emanzipatorische Theoriebildung, welche Medien, Technologie und die „Herrschaft der „Bilder” mit in den Blick nimmt, wohl notwendiger denn je.

  1. zitiert nach: Elisabeth Gallas, “Hannah Arendt: Rückkehr Im Schreiben,” in »Ich Staune, Dass Sie in Dieser Luft Atmen Können«. Jüdische Intellektuelle in Deutschland Nach 1945, ed. Monika Boll and Raphael Gross, Die Zeit Des Nationalsozialismus (Frankfurt am Main, 2013), 247. 

  2. Gerd Bergfleth, “Kritik Der Emanzipation,” ed. Claudia Gehrke and Peter Poertner, Konkursbuch. Zeitschrift Für Vernunftkritik, no. 1 (1978): 13–35. 

  3. Sonnemann schreibt nach seiner Flucht in die USA für die Zeitschrift “Sensation” den Artikel “My Hell In The Nazi Coffin On Rails”, in welchem er seine Flucht schildert. Der Artikel ist übersetzt ins Deutsche in der I. Ausgabe der Zeitschrift “zäsuren – césures – incisions” erschienen (S. 10-23): http://www.whagen.de/PDFS/11235_HagenUeberrollvorgaengeZ_2000.pdf 

  4. Ulrich Sonnemann, Negative Anthropologie. Vorstudien Zur Sabotage d. Schicksals (Hamburg, 1969). 

  5. Theodor W. Adorno, Negative Dialektik, 9. Aufl, Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft 113 (Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1997), 11. 

  6. Ulrich Sonnemann, “Zeit Ist Anhörungsform. Über Wesen Und Wirken Einer Kantischen Verkennung Des Ohrs,” in Tunnelstiche. Reden, Aufzeichnungen, Essays (Frankfurt am Main, 1987), 279–97. 

  7. Gerd Bergfleth, Zur Kritik Der Palavernden Aufklärung (München, 1984). 

  8. Roger Griffin, The Nature of Fascism (London ; New York: Routledge, 1993). 

  9. Die Hochschule für bildendes Künste Hamburg stellt ein digitales Archiv der Zeitschrift bereit: http://archiv-der-spuren.hfbk-hamburg.de/ 

  10. Vilém Flusser and Vilém Flusser, Lob Der Oberflächlichkeit: Für Eine Phänomenologie Der Medien, 1. Aufl, Schriften / Vilém Flusser, Bd. 1 (Bensheim: Bollmann, 1993). 

  11. Zur Bedeutung von „Unto the Third and Fourth Generation” in Flussers Werk siehe: Eva Batličková, “Unto the Third and Fourth Generation: The Experience of the Holocaust as Basis for Vilém Flusser’s Theories,” Flusser Studies, no. 23 (n.d.): 13. 

  12. Vilém Flusser, Andreas Müller-Pohle, and Vilém Flusser, Für eine Philosophie der Fotografie, 12. Aufl, Edition Flusser, [Vilém Flusser]. Hrsg. von Andreas Müller-Pohle ; Band 3 (Berlin: European Photography, 2018). 

  13. Martin Heidegger, “Die Frage Nach Der Technik,” in Vorträge Und Aufsätze, vol. 7, Gesamtausgabe, I. Abteilung – Veröffentlichte Schriften 1910-1976 (Frankfurt am Main, 2000), 7–36. 

  14. Zur Ontologisierung des Technologischen bei Flusser siehe auch: Demian Berger, “Träume Eines Apparatschiks: Vilém Flussers Ästhetisch-Technologische Medienutopie Vor Dem Hintergrund Des Marxismus,” KulturPoetik 18, no. 1 (2018): 17–35. 

  15. Flusser Vilém, “Vorschrift. Nachtrag Zur Schrift, Mit Einem Leserbrief Zum Antisemitismus Gerd Bergfleths,” Spuren in Kunst Und Gesellschaft, no. Nr. 11/12 (1985): 7–9. 

'Infoslides' und Antisemitismus: Gedanken zu Dynamiken von Desinformation und Reduktionismus in den Sozialen Medien

Ich folge in den Sozialen Medien vielen Künstler*innen, Autor*innen, Musiker*innen und Fotograf*innen. Sie machen – nicht zuletzt weil der Großteil meiner Freund*innen in den Sozialen Medien nur mäßig aktiv ist – den Großteil der Inhalte aus, welche ich auf Instagram und Facebook konsumiere. In der Folge des zunehmend gewalttätig eskalierenden Konflikts zwischen israelischen Sicherheitskräften und palästinensischen Aufständischen ab Anfang Mai 2021, die ihren Ausgang um die Al-Aksa Moschee und das Viertel Scheich Dscharrah in Jerusalem nahmen, zeigte sich beim Blick in die entsprechenden Apps ein einhelliges Bild: Gerade solche Künstler*innen, die sich selbst als politisch und progressiv erachten, solidarisieren sich auf eine Art und Weise mit der palästinensischen Seite, die in ihrer Vehemenz und Klarheit erstaunt. Dabei erinnert die Form der Solidarität an Kampagnen in den Sozialen Medien aus der Vergangenheit, wie die aufgrund ihres Reduktionsimus und ihrer Einseitigkeit kritisierten Aktion "Dj's for Palestine".

Für diese also nicht ganz so neue Weise eine vermeintlich kritische Haltung auf der eigenen Social Media-Präsenz zu repräsentieren sind verschiedene Form- und Inhaltselemente charakteristisch: In der Instagram-Story einer Illustratorin, der ich eigentlich aufgrund ihrer gut beobachteten, filigran gezeichneten und mit Wasserfarbe kolorierten Stilleben folge, begegneten mir "Infoslides", die die liebevoll gezeichnete Unterhaltung zwischen zwei Frauen wiedergeben, wobei die eine der anderen den Konflikt erklärt. Ob es sich denn nicht nur um einen religiöse motivierten Konflikt handeln würde? Nein, dem ist nicht so, erklärt die andere Frau. Ihre erklärenden Worte verdichten sich auf die für jeden leicht verständliche Zuspitzung "Israelis are the oppressors and palestinians are the oppressed".

Nun ist es allgemein fraglich, ob der manichäische Dichotomismus Unterdrücker vs. Unterdrückte zur Erklärung von Konflikten, die sich vor einem gesellschaftlichen, politischen und historischem Hintergrund entfalten, hinreichende Erklärung sein kann. Es gibt Fälle, in denen er einleuchtet: Wenn Angehörige einer islamistischen Terrororganisation eine Schule in Kabul als Anschlagsziel wählen und für über 50 Todesopfer sorgen, scheint die Verteilung von Schuld und Verantwortung sehr klar zu sein. Wenn die myanmarischen Streitkräfte gegen das Ergebnis einer demokratischen Wahl putschen und bei der Niederschlagung von Protesten eine Vielzahl von Todesopfern und Verletzten in Kauf nehmen, wäre die Einteilung in unterdrückt und unterdrückend ebenfalls eine legitime und zutreffende Beschreibung der Realität. Dass sich in den Sozialen Medien allerdings vermeintliche Erklärungen des gegenwärtigen israelisch-palästinensischen Konfliktes, die auf diese radikale Dichotomisierung zurückgreifen, massenhaft verbreiten, scheint auf psychologischer und kognitiver Ebene erklärungsbedürftig – beschießen doch die militärischen Kräfte der Hamas, welche die Beseitigung Israels und die Errichtung eines antidemokratischen und islamistischen Staates als Gründungsziel hat, seit Tagen zivile Ziele auf israelischem Gebiet mit hunderten von Raketen, verwenden die eigene Zivilbevölkerung als Schutzschild und tragen in keiner Weise dazu bei, die militärische Auseinandersetzung im Interesse der eigenen Bevölkerung zu beenden oder einzuschränken. 

Erklären lassen sich die kognitiven und psychologischen Verrenkungen von Nutzer*innen der Sozialen Medien, welche aus einer vermeintlich kritischen und progressiven politischen Haltung heraus solche im Kern antisemitischen Positionen massenhaft verbreiten, primär als Manifestationen von ebendem: latentem Antisemitismus, der sich unter dem Deckmantel angeblicher Anteilnahme Bahn bricht. In der gegenwärtigen Konstellation innerhalb der Sozialen Medien werden jedoch zusätzlich Dynamiken deutlich, welche zum einem dem Aufbau und der Funktion der rahmengebenden Plattformen geschuldet sind und die zum anderen mit den aktuellen Diskursverhältnissen in einem sich selbst als links und progressiv verstehenden Online-Milieu zusammenhängen.

In seinem Aufsatz "Für eine Philosophie der Fotografie" von 1983 weist der tschechisch-brasilanische Medienphilosoph Vilém Flusser unter Bezugnahme auf den libanesischen Bürgerkrieg und die ihn begleitende Berichterstattung auf die suggesitve Macht der Bilder hin: "Wir reagieren auf den fotografisch dokumentierten Libanonkrieg nicht historisch, sondern rituell magisch. [...] Alles in [der Bildoberfläche] ist entweder gut oder böse - die Panzer sind böse, die Kinder gut, Beirut in Flammen die Hölle, weiß gekleidete Ärzte die Engel."1 Flusser weist darauf hin, wie die Bildhaftigkeit der Berichterstattung mit den sie erklärenden Texten zusammenfällt, wie wir "längst aller Erklärungen müde"2 sind und es "vor[ziehen], uns an das Foto zu halten, das uns von der Notwendigkeit des begrifflichen, erklärenden Denkens entlastet und uns die Mühe abnimmt, den Ursachen und Folgen des Libanonkrieges nachzugehen: Wir sehen ja mit eigenen Augen auf dem Bild, wie der Krieg aussieht." Der Mechanismus der Vereindeutigung und Abwehr von Reflexion – des Herstellens von Sachverhalten aus mehrdimensionalen und vielschichtigen Situationen – findet sich im Teilen von "Infoslides" sowohl in deren Einbettung zwischen Bildern des Leids aus dem Krisengebiet wieder, welche in ihrer Gegenbüberstellung von modernem israelischen Kriegsgerät und steinewerfenden palästinensischen Jugendlichen jeglichen kritischen Reflex abtöten, als auch in der bildhaften Sprache des Unterdrückenden und des Unterdrückten, welche eben nicht erklärt, sondern einen Sachverhalt feststellt. Diese prägnante und bildhafte Form der Vereindeutung, welche vermeintlich informiert, aber den Konsument*innen in Wahrheit weder Raum für Reflexion noch die Wahl einer einzunehmenden Haltung lässt und sich inhaltlich ideal in die Formvorgaben der entsprechenden Plattformen einfügt, verbindet sich fast synergetisch mit einer in Spielarten des gegenwärtigen Antirassismus verbreiteten Haltung, die die eigene Positionierung über Inhalte und Analyse stellt.

Begriffe wie "ethnic cleansing", "military occupation", "apartheid", "colonialism", "intersectional solidarity" und "institutionalized violence" tauchen vielfach in den kursierenden "Infoslides" auf, oft gesondert hervorgehoben. Sie erfüllen dabei nicht etwa den Zweck die Situation zu erklären – was sie in anbetracht des minimalen Kontextes, der um sie herum mitgeliefert wird, auch kaum könnten. Sie verdeutlichen stattdessen, ähnlich wie die suggestiv eingesetzten Fotografien und Videoaufnahmen, symbolisch welche Seite die richtige und welche die falsche ist, kurz: welche Haltung die Konsument*innen einzunehmen haben. Dem Motto "silence is violence", welches im Rahmen der weltweiten Proteste aufgrund der Ermordung George Floyds durch einen Polizisten im Mai 2020 Verwendung fand, folgend, ist die logische und moralische Konsequenz aus der Eindeutigkeit, die sich den Konsument*innen in der Form solcher "Infoslides" darstellt, das Teilen ebendieser im eigenen Profil. Diese Dynamik beschleunigt die Ausbreitung der – in diesem Fall antisemitischen – Inhalte, weil sie seitens der Konsument*innen, wie Flusser beschreibt, vom reflexiven Denken entlastet, die "richtige" Haltung mitliefert und teilweise in Form von scheinbaren Informationen eine Legitimation für den eigenen latenten Antisemitismus, der nun nicht nur geäußert werden darf, sondern aus moralischen Gründen muss, an die Hand gibt. Gleichzeitig profitieren die Plattformen, die die kurze, zu Reduktionismus verleitende und schnell konsumierbare Form vorgeben, von Interaktion und Verweildauer profitieren und kaum Ressourcen für Moderation bereitstellen, von den konflikthaften und affektsteigernden Inhalten. 

Das Eingedenken der medientheoretischen Dimension in das Verständnis der Verbreitung von antisemitischen Inhalten und Desinformation kann helfen, die massenhafte Verbreitung von antisemitischen Inhalten und Desinformation in den Sozialen Medien zu verstehen. Der sich in den Sozialen Medien ausbreitende Hass und die informativ daherkommenden Fehlinformationen sind allerdings kein theoretisches Problem – sie manifestieren sich aktuell in ganz realen Angriffen auf jüdische Einrichtungen und Personen. Ihnen auf allen Ebenen entgegenzutreten und reduktionistischer Vereindeutung reflexives Denken entgegenzusetzen, muss das Gebot der Stunde sein.

  1. Vilém Flusser, Andreas Müller-Pohle, and Vilém Flusser, Für eine Philosophie der Fotografie, 12. Aufl, Edition Flusser, [Vilém Flusser]. Hrsg. von Andreas Müller-Pohle ; Band 3 (Berlin: European Photography, 2018), 55–56. 

  2. Hier und im Folgenden ibid., 56. 

The public intellecutal in the eyes of Hannah Arendt and Jean Améry

A slightly modified and abridged version of this text appeared on the Journal of the History of Ideas blog on 3/15/2021.

The public intellectual as a contested figure

The position of the public intellecutal is a contested one. On the one hand they play a significant role in the deliberation of social und poltical affairs; on the other hand, there's a persistent skepticism toward their perception of the present, based on the widely held sentiment that it is inherently disconnected from reality—that, in short, it is nothing more than an observation from the top of the “ivory tower.”.In right-wing attacks against intellectuals, the latter are accused of representing an elitist, biased, and ultimately unrealistic view of society and current affairs.

This populist anti-intellectualism is by no means of recent origin: Already in his 1967 lecture “Aspekte des neuen Rechtsradikalismus” (“Aspects of Contemporary Right-Wing Radicalism”), Theodor W. Adorno noted the central role of anti-intellectualism in right-wing ideology. Hinting at its structural similarity to antisemitism, Adorno considered anti-intellectualism an ideology that perceives the intellectual

"as a kind of vagrant in life, an ‘air person’ [...]. According to this ideology, whoever does not participate in the division of labour, whoever is not bound by their profession to a particular position and thus also to quite particular ideas, but has instead preserved their freedom of spirit, this person is a kind of rascal who needs to be brought into line."1

Such undifferentiated populist and right-wing ressentiment against intellectuals, which presents one current in the ongoing attacks on academia, science, and the press, at times obscures the fact that self-critical reflection is an integral part of intellectualism itself. This is discernible in both Jean Améry’s and Hannah Arendt’s retrospective analyses of the rise of National Socialism and their critique of the passivity exhibited by some of the time’s most influential intellectuals. Not only do their respective reflections about said passivity and its causes give insight into their philosophy, but they also resonate in the crisis-ridden present in which the value of humanistic thinking may altogether appear questionable.

A similar critique? Hannah Arendt on Stefan Zweig and Jean Améry on Romain Rolland

The biographies of Arendt and Améry show significant parallels: Both were born before the First World War ended, both had to flee National Socialism, both attempted political resistance in some form, both were interned in the camp at Gurs for a while, and both made their experiences an object of their intellectual reflection after the war. Though their respective philosophies are marked by at times sharp contrasts—Améry, for instance, was very critical of Arendt’s concept of a “banality of evil,” which the latter famously developed in her book about the Eichmann-trial in Jerusalem—there are definitive parallels in the critical, intellectual self-reflections they developed in two essays, despite those essays being published more than thirty years apart:

Arendt’s “Portrait of a Period” (1943) is a critical review of Stefan Zweig’s memoir The World of Yesterday, an account of the personal and artistic path of the Austrian novelist, journalist, and playwright, and a depiction of prewar Austria-Hungary and Europe from Zweig’s own perspective. To Arendt, Zweig’s nostalgic—and, in light of Zweig’s suicide in 1942, quite tragic—autobiography is the manifest of a humanistic but in the end apolitical thinker, who was so entrenched in his own social circle that he made himself at home in a world that provided emancipation only to the famous. According to Arendt, Zweig thus experienced the rise of National Socialism in Europe not as a historical and hence inherently political and societal development, but rather as a natural catastrophe.

A similar sentiment is formulated in Améry’s “Von der Verwundbarkeit des Humanismus” (“On the vulnerability of humanism”), which was first published in 1981, three years after Améry took his own life, in the anthology Bücher aus der Jugend unseres Jahrhunderts (“Books from the youth of our century”). In the essay, Améry also takes Stefan Zweig’s The World of Yesterday as the starting point for his reflection on the humanistic intellectual in moments of crises. In contrast to Arendt, though, Améry does not dwell on Zweig but quickly transitions from The World of Yesterday to Romain Rolland, the French novelist, pacifist, and 1915 Nobel Laureate who was a close friend of Zweig, and his magnum opus Jean-Christophe. In both the author and his work, Améry recognizes the titular “vulnerability of humanism.” To him, this vulnerability is marked by a pacifistic attitude fixated on high culture, obsessed with arts, aesthetics, and high values. In its inwardness and gentleness, Améry argues, the vulnerable humanism of Rolland shies away from action, loses sight of reality, and “finally fails in a world in which even humanity must arm itself.” 2 Rolland’s humanism, Améry concludes, is apolitical in the end—and thus ineffective.

The Paria, the Parvenue and the "gilded trellises": The roots of Hannah Arendt’s critique of Zweig

The similarity between Améry’s reflections about “vulnerable humanism” and Arendt’s critique of Zweig should not obscure the conflicting theoretical underpinnings of both texts. As Seyla Benhabib points out in The Reluctant Modernism of Hannah Arendt, Arendt’s biography of Rahel Varnhagen, which she completed while living in exile in Paris in 1938, offers a key to her political thinking. Varnhagen was a German writer during the late 18th and early 19th centuries who hosted an influential salon and was Jewish by birth but later converted to Christianity. Using the categories of the Pariah and the Parvenu in the biography, Arendt describes Varnhagen’s ambivalent relationship with her Jewish origin amidst the struggles of assimilation and aspired emancipation and analyzes her transformation from an ideal-typical Parvenu, who tries with all strength to adapt to the majority society and thereby self-denyingly rejects her own identity, to a Pariah, who, having come to terms with her own identity, is able to turn it from a social flaw into a form of individual resistance. Yet Arendt also criticizes a mode of interacting with the world that she considers a prominent feature of Varnhagen’s cultural and intellectual engagement with the world: “Innerlichkeit,” an introspective way of thinking and understanding, which is mostly concerned with subjective feelings and emotions. Indeed, in the book Arendt argues that this attitude leads to a confusion and, eventually, neglect of the boundaries between the private and the public sphere that she considers crucial for genuine political action, which presupposes mutuality in the shared public sphere.

This differentiation between the Parvenu and Pariah, together with her profound critique of a nonpolitical “Innerlichkeit,” can be seen as the key element of Arendt’s critique of Zweig. From this perspective, her condemnation of Zweig’s withdrawal into a “sanctuary”3 secluded by “very thick […] gilded trellises” 4 emerges from her idea of the Parvenu: it is Zweig’s way of positioning himself as an ideal-typical Parvenu who achieved individual emancipation by fame and success while at the same time not reflecting his own identity, which first abets a delusional perception of reality and then consequentially leads to living the apolitical life lamented by Arendt. This backdrop of Arendt’s critique also becomes apparent in the way she analyzes Zweig’s nostalgic depiction of prewar Europe, which interweaves descriptions of arts and culture with articulations of his subjective feelings and thus invites comparison to the “Innerlichkeit” of Varnhagen.

Disillusionment in the face of subjective suffering: Jean Amérys thought on the “vulnerability of humanism”

While for Améry, Jewish identity also proved an important topic throughout his work—he discusses the experience of being “made” a Jew by the Nazis as an atheist with little knowledge about Jewish culture in his essay “On the Necessity and Impossibility of Being a Jew”, for example—it does not constitute the underlying theme of his critique of “vulnerable humanism.” For him, it is not Romain’s personal withdrawal into a secluded elitist cultural sphere, or his denial of a forced identity and concomitant desire to fit into a society that is hostile toward him, but rather his model of humanism that forms the object of critique.

Born as Hanns Chaim Mayer in Austria, Améry felt at home in both the rural area of the Salzkammergut and existential philosophy with its focus on nature and its yearning for authenticity throughout his youth. In his autobiographically inspired essay collection Unmeisterliche Wanderjahre (“Unmasterly wandering years”), Améry looks back on this youthful affection and his following enthusiasm for the Logical Empiricism of the Wiener Kreis as submissions under different systems of thought that nevertheless proved delusional in their own ways: neither one of the two, Améry argues, takes the reality of society or history into account when formulating a comprehensive understanding of the world.

This self-critical retrospection is strongly informed by Améry’s experience of being persecuted, tortured and interned in different concentration camps. In his essay "At the Mind's Limits" Améry reflects upon "the intellectual in Auschwitz"5. He describes how neither analytical thinking nor an aesthetic understanding of the world were of any value in the brutal world of the camp because they lost their foundation in social reality. Améry thus concludes that the camp internment provided the intellectual who was lucky enough to survive with a profound “philosophical disillusionment, for which other, perhaps infinitely more gifted and penetrating minds must struggle a lifetime.” 6

A subjective experience of suffering is central to Améry’s essayistic writing and foundational for his sharp, concise, and sometimes painfully honest observations. Indeed, it is the experience of a “philosophical disillusionment”—the realization, that thought must correspond to (social) reality in order to be meaningful—that shaped not only his retrospective assessment of his own early philosophical leanings, but also his critique of “vulnerable humanism.” For Améry, a humanistic intellectualism that is constrained by its own system of thought ultimately inhibits an active and politically meaningful stance toward the world. This insight is the basis from which Améry criticizes the dreamy and hopeful worldview of Rolland’s Jean-Christophe, which in his eyes amounts to a denial of reality and effectively undermines Rolland’s humanistic intentions.

The challenge of a undistorted view: Echoes of differently rooted critiques of intellecutal ideology

Considering their similar biographies, it comes at no surprise, then, that both Arendt and Améry emphasize the importance of the critical intellectual as a cautious observer of society and politics. Precisely because of this shared, historically conditioned awareness, both warn of the pitfalls inherent in a self-isolating intellectualism.

Yet when contextualized with the respective body of work, the seemingliy similar positions point to their respective theoretical underpinning and distances begin to appear: while Arendt focusses on issues of social positionality, identity and the connected repercussions on the ability to understand the current social reality, Améry is concerned with delusional aspects of humanistic intellectual thought itself. The contours of thought which respectivelly emerge in the light of this closer look on the one hand call us to a more intense practice of reading and understanding. On the other hand it is to be hoped that the rejection of the flight into intellectual illusory worlds and the fading out of social and historical reality, which is strongly expressed in both essays, will be heard – it has not lost its relevance.

  1. Theodor W. Adorno and Wieland Hoban, Aspects of the New Right-Wing Extremism (Cambridge, UK ; Medford, MA: Polity, 2020), 13. 

  2. Jean Améry, Aufsätze Zu Literatur Und Zum Film, ed. Hans Höller, vol. 5, Jean Améry – Werke (Stuttgart, 2003), 490. 

  3. Hannah Arendt, Jerome Kohn, and Ron H. Feldman, The Jewish Writings (New York: Schocken Books, 2007), 319. 

  4. Ibid. 

  5. Jean Améry, At the Mind’s Limits: Contemplations by a Survivor on Auschwitz and Its Realities (Bloomington: Indiana University Press, 1980), 01. 

  6. Ibid., 20.