15 Mar 2023
Im November des letzten Jahres ist die neue, sehr lesenswerte Monographie von Yael Kupferberg über das Spätwerk Max Horkheimers und die Rolle des Judentums für die Kritische Theorie erschienen. Ich durfte mich mit ihr für den Blog des Journals of the History of Ideas über Zum Bilderverbot unterhalten. Das Interview, das hoffentlich zur Lektüre des Buches anregt, ist hier zu lesen.
Ergänzung vom 07.07.2023: Zum 50. Todestag Max Horkheimers ist das Interview nochmal erweitert und auf Deutsch auf Sozipolis erschienen.
17 Feb 2022
Im Sommer 1946 schildert Gershom Scholem Hannah Arendt in einem Brief
seinen Eindruck der intellektuellen Atmosphäre im Nachkriegsdeutschland:
„Würden die Amerikaner heute Heidelberg räumen, würde Jaspers…” –
Karl Jaspers ist von November 1945 bis Herbst 1949 Mitherausgeber der
Monatszeitschrift „Die Wandlung”, welche ihrem Selbstverständnis nach an
der Entwicklung einer demokratischen politischen Kultur im
postnationalsozialistischen Deutschland mitwirken will –„ […]
nach 3 Tagen tot sein.” Mehr als eine Dekade
nationalsozialistische Herrschaft, Massenmord und die Emigration derer,
die das Glück hatten entkommen zu können, ließen nur wenig übrig von
einer während der Weimarer Republik vielfältig vorhandenen Geistes- und
Wissenschaftslandschaft. Die folgende Betrachtung nimmt ihren
Ausgangspunkt in der Rückkehr zweier Emigranten in das Geistesleben der
Bundesrepublik einige Jahrzehnte nach dem zitierten Brief Scholems an
Arendt. Sie erzählt eine Geschichte über das intellektuelle Klima des
Nachkriegsdeutschlands, in welchem sich zwei aus ihrem Exil nach Europa
zurückgekehrte jüdische Intellektuelle einer sich intellektuell gebenden
Neuen Rechten gegenübersehen. Die Debatte verweist zudem auf Parallelen
in den Denkbewegungen von Ulrich Sonneman und Vilém Flusser – zweier
Denker, die beide dezidiert über die technologische und mediale
Bedingtheit des „Menschlichen” sowie über die Rolle des Bildhaften für
des subjektive und gesellschaftliche Bewusstsein nachdachten, aufgrund
ihrer idiosynkratischen Herangehensweisen jedoch häufig singulär
betrachtet werden.
Gerd Bergfleth, der 1936 geboren wird, Philosophie, Literatur und
Gräzistik studiert und seit Mitte der 1970er Jahre die Werke von Georges
Bataille und Jean Baudrillard ins Deutsche übersetzt, publiziert seit
1978 in der Zeitschrift „Konkursbuch”, welche sich als kritisches
Gegenprojekt gegen das für die westdeutsche Studentenbewegung höchst
relevante “Kursbuch” verstand. Bereits 1978 publizierte Bergfleth hier
einen Aufsatz mit dem Titel „Kritik der Emanzipation”, in welchem er
„Vernunft” und „Emanzipation” – gemeinhin Leitideen des linken Milieus,
welchem das publizierende „Konkursbuch” entstammt – einer
grundsätzlichen Kritik unterzieht: Anders als beispielsweise Theodor W.
Adorno und Max Horkheimer in ihrer „Dialektik der Aufklärung” – gegen
die sich Bergfleth explizit wendet – identifiziert er in dem Aufsatz
keine regressiven Momente innerhalb des aufklärerischen Denkens, welche
in ihrer Verwirklichung die Aufklärung in ihr Gegenteil verkehren,
sondern kritisiert und verwirft Vernunft und Emanzipation pauschal als
Wegbereiter einer nahenden technokratischen Herrschaft.
Eine kritische Entgegnung auf diese Absage an Emanzipation als Leitidee
wird durch einen Autoren verfasst, welcher dem weiteren Umfeld der
„Frankfurter Schule” zuzurechnen ist, jedoch vergleichsweise wenig
Resonanz erfahren hat: Ulrich Sonnemann, der aufgrund seiner
antifaschistischen Haltung und seiner jüdischen Herkunft 1933 das
nationalsozialistische Deutschland verlässt, 1940 in Belgien
festgenommen wird, in Frankreich nacheinander in den Lagern Le Viegeant,
St. Cyprien und Gurs interniert wird, 1941 in die USA emigriert, und
nach seiner Rückkehr nach Deutschland Mitte der 1950er Jahre mit der
Kritischen Theorie rund um das Institut für Sozialforschung in Kontakt
kommt, schreibt 1980 für die fünfte Ausgabe des „Konkursbuchs” einen
Beitrag, der den Bergfleths in seiner regressiven Tendenz
kritisiert. Er ist zweifach charakteristisch für Sonnemann: Zum
einen steht er exemplarisch für sein regelmäßiges Eingreifen in
gesellschaftliche Debatten der Bundesrepublik. So äußert sich Sonnemann
in den 1960er und 1970er Jahren unter anderem in der Satirezeitschrift
„Der
Metzger”
und im „Merkur” zu aktuellen
Debatten und veröffentlicht 1970 eine Untersuchung zu deutschen
Schulbüchern sowie ein
Buch,
welches den Skandalprozess um die vermeintliche Ermordung des Münchener
Arztes Otto Praun und dessen Geliebten Elfriede Kloo von 1961/62
aufarbeitet und kurz nach seinem Erscheinen verboten und beschlagnahmt
wird.
In seinen kritischen Eingriffen in das Zeitgeschehen drückt sich aus,
was seine Philosophie im Allgemeinen auszeichnet: Das Beibehalten
menschliche Spontaneität und Freiheit als Fluchtpunkte trotz ihres
Ausbleibens, die feinfühlige Analyse der Bedingungen, die sie verhindert
haben, das Offenlegen der Spuren, die die gesellschaftliche Herrschaft
in den Menschen hinterlassen hat und die laut Sonnemann durch große
Teile der philosophischen Tradition mit „dem Menschlichen” verwechselt
werden. Spontaneität als nicht verwirklichte, menschliche Eigenschaft,
durch welche im Zusammenhang mit erfahrender und reflektierender
Wahrnehmung aus scheinbar vorgezeichneten Handlungsabfolgen ausgebrochen
werden könnte, sowie die Bedingungen ihrer Verunmöglichung, ziehen sich
als Leitmotiv durch Sonnemanns Werk. So trägt seine 1969 erschienene
„Negative Anthropologie” den Untertitel „Vorstudien zur Sabotage des
Schicksals” – welcher als Absage an jegliche determinierende und
übergeschichtliche Tendenz zu verstehen ist, die philosophischer
Anthropologie gemeinhin vorzuwerfen ist. Dem Anspruch des Titels folgend
entfaltet Sonnemann in dem Werk den Kerngedanken, dass eine
allgemeingültige, positive Bestimmung des menschlichen Wesens unmöglich
sei, da ein Versuch der Bestimmung als Ergebnis nur jene Eigenschaften
hervorbringen könnte, die die historisch gegebenen Bedingungen
menschlicher Existenz als Spuren hinterlassen haben. In dieser
antiaffirmativen Haltung von Sonnemanns „Negative[n] Anthropologie”,
welche sich einer identifizierenden Bestimmung verneint und „das
Menschliche” nur ex negativo und als erst zu verwirklichend in die
Zukunft verlagert, zeigt sich eine Affinität zu Theodor W. Adornos
„Negative Dialektik”, welche sich auch intertextuell durch einen Verweis
in der Vorrede von Adornos Werk manifestiert. Ontologisierendes und
abschließendes Denken, welches Sonnemann in seiner „Negativ(n)
Anthropologie” parallel zu Adornos Kritik des identifizierendem Denkens
als Fallstrick jeglicher positiven Anthropologie ausmacht, ist auch sein
kritischer Zugriff auf Bergfleths „Kritik der Emanzipation”: Die so
geartet Verwendung des Freiheits- und Emanzipationsbegriffes durch
Bergfleht spiegelt sich nach Sonnemanns Analyse in den schiefen
sprachlichen Bildern, welche jener in seiner Diskreditierung der
Emanzipation aufwendet. So verkenne Bergfleths Rede einer „Freiheit
selbst auf der Suche nach ihrer absoluten Grundlosigkeit” sowohl die
historische Situiertheit von Befreiungsprozessen – welche Freiheit zum
Ziel haben, sie aber bis zu gewissem Grade bereits voraussetzen –, als
auch den negativen Charakter solcher Prozesse, die statt ex ante einen
zu erreichenden Zustand zu identifizieren, sich am Gegebenen
orientieren, Hindernisse identifizieren und negieren und dadurch
Freiheit schrittweise ermöglichen. Sonnemann versteht Bergfleths Text
deshalb erwiderungswürdig, da er ihn nicht singulär, sondern als
Bestandteil einer größeren „Tendenzwende” nach rechts im deutschen
Intellektualismus sieht: Die in Folge der identitätslogisch
argumentierten Absage an Emanzipation und Freiheit entstehende
Leerstelle drohe durch Versatzstücke reaktionärer Ideologie gefüllt zu
werden, welche in ihrer Introspektion, Nostalgie und Todessehnsucht
Wegbereitern des Nationalsozialismus, wie Oswald Spengler, nahesteht.
Sonnemanns Kritik verdinglichten Denkens und dessen Affirmation von
Herrschaft findet ihre Fortführung auch in seinem Projekt einer
Transzendentalen Akustik, welches die Ausrichtung seines Spätwerks
prägt und jüngst Thema einer Monographie von Martin
Mettin wurde.
Erkenntnisleitendes Interesse von Sonnemanns Reflektionen ist die Frage
nach der historisch-gesellschaftlichen Entwicklung der Ausformung der
menschlichen Sinne. Verdinglichendes Denken, welches sich der Herrschaft
andient und welches bereits in seiner „Negative[n] Anthropologie” Ziel
der Kritik ist, wird hier mit der hierarchischen Entwicklung der
menschlichen Sinne kontextualisiert, welche in eine Dominanz
registrierenden und objektivierenden Sehens über das erfahrende und
reflektierende Hören mündet. Sonnemann verdichtet diese Geschichte der
Wahrnehmung, welche er ideengeschichtlich auf die Opposition zwischen
jüdischem Bilderverbot, welches im Kontext einer dialogischen
Auslegungstradition steht, und dem Sehprimat der antiken griechischen
Philosophie zurückführt, in dem Begriff der „Okulartyrannis” oder der
„optischen Tyrannei”: Die Herrschaft einer instrumentellen und
herrschaftsförmigen Weltwahrnehmung auf der sinnlichen Ebene, welcher im
Sinne einer wirklich menschlichen Zukunft eine empathisch erfahrende
Variante entgegengestellt werden müsste. In seinem 1987 erschienen
Aufsatz „Zeit ist Anhörungsform. Über Wesen und Wirken einer kantischen
Verkennung des Ohrs” macht Sonnemann deutlich, wie allumfassend und
grundsätzlich sich die Vorherrschaft des registrierenden Sehens über das
erfahrende Hören manifestiert: Er führt in einer ideengeschichtlichen
Reflexion die dominante, lineare und sequentiell einteilbare Vorstellung
von Zeit auf schauende und verräumlichende Wahrnehmung zurück.
Sonnemann, der dieser Zeitvorstellung und -erfahrung eine akustisch
fundierte, welche ihren Ursprung an der nicht linearen Eigenerfahrung
von Herzschlag und Körper hat, entgegensetzt, geht es hierbei nicht nur
um eine Kritik einer am Primat der Objektivität ausgerichteten Vernunft,
welche keinen Platz für menschliche Sinneswahrnehmung lässt, sondern
auch um eine Herrschaftskritik: Raum- und Zeitvorstellung, welche durch
die von Sonnemann taxierte Sinneswahrnehmung bestimmt werden, sind, wie
die Notwendigkeit von messbarer Zeit für die Kommodifizierung von Arbeit
und die Disziplinierung der Gesellschaft zeigt, nicht von
gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen zu trennen.
Vier Jahre nach Sonnemanns Replik auf Bergfleths „Kritik der
Emanzipation” legt letzterer nach: Im Münchener Verlag Matthes & Seitz
erscheint Bergfleths Sammelband, „Zur Kritik der palavernden
Aufklärung”, dem er als Autor vier Beiträge beisteuert. Einer dieser
Beiträge mit dem Titel „Die zynische Aufklärung” bestätigt das
Fortschreiten der Tendenzen, welche Sonnemann in seinem Aufsatz zur
„Tendenzwende” ausgemacht hat: Bergfleth macht nun explizit die
„zurückgekehrte deutsch-jüdische Intelligenz” dafür verantwortlich, dass
im Zuge einer Umgestaltung Deutschlands nach deren „weltbürgerlichen
Maßstäben” ein „eigenständige[r] deutsche[r] Geist” verloren
gegangen wäre (S. 180). Dieser antisemitische Vorwurf einer Zersetzung
der nationalen Eigenart durch Gedankengut, welches als jüdisch
konnotiert wird, hat nicht nur eine lange Geschichte, sondern findet
sich auch im verschwörungstheoretisch fundierten – und wie Martin Jay
aufgezeigt hat, von der
autoritären Linken bis zur extremen Rechten rezipierten– Diskurs um den
sogenannten „cultural marxism”, in welchem eine karikaturhaft verzerrte
Version der Frankfurter Schule für einen vermeintlichen Werteverfall
verantwortlich gemacht wird.
Auch ideengeschichtlich projiziert Bergfleth die ausgemachte Misere von
Entwurzelung in der Moderne auf „den mächtigen Einfluß […], den das
säkularisierte Judentum auf die aufklärerische Moderne ausgeübt hat.”
(S. 181) Folglich fordert Bergfleth auch – keine 40 Jahre nach der
Befreiung von Auschwitz –, dass der „ewige” Hinweis auf den
Antisemitismus ein Ende haben müsse und im Gegenteil zu fragen sei, „was
der Prosemitismus der Linken” anrichtete (S. 181). In seiner projektiven
Phantasie, welche auf tradierte antisemitische Bilder – die Juden als
„zersetzende”, heimatlose Gruppe, welche für alle negativen
Begleiterscheinungen der Moderne verantwortlich seien und welche durch
die Propagierung des Universalismus „deutsche Eigenart […], etwa die
romantische Sehnsucht, die Verbundenheit mit der Natur, oder die nicht
auszurottende Erinnerung an eine heidnisch-germanische Vergangenheit”
(S. 181) vernichten würden – zurückgreift, kommt Bergfleth zu Schlüssen
wie „Demokratisierung heißt Anpassung, und Anpassung heißt
Gleichschaltung” (S. 186) und schließlich zu der auffordernden
Feststellung, dass ein „Untergang im Sinn des Neuanfangs” herbeizuführen
wäre. Bergfleth hat nun also die von Sonnemann hellsichtig erkannte
Tendenzwende vollständig vollzogen indem er sich nicht nur explizit
antisemitischer Bilder und Denkmuster bedient, sondern in der
vermittelten Todes- und Auferstehungssehnsucht auch das von Roger
Griffin in „The Nature of Fascism” als Kernelement faschistischer
Ideologie ausgemachte Konzept der Palingenese als Fluchtpunkt seiner
Überlegungen setzt.
Über den Zwischenschritt eines Artikels von Hans-Joachim Lenger in der
Zeitschrift „Spuren in Kunst und Gesellschaft” findet Bergfleths
Text die Aufmerksamkeit des 1972 nach Europa zurückgekehrten
Medienphilosophen Vilém Flusser. 1920 in Prag geboren flieht der einer
jüdischen Akademikerfamilie entstammende Flusser 1939 nach Eingliederung
der damaligen Tschechoslowakei in das „Protektorat Böhmen und Mähren”
durch NS-Deutschland zunächst nach London, von dort weiter nach
Brasilien. Dort entfaltet Flusser ab den 1950er Jahren eine produktive
philosophische Tätigkeit, die sich in einer Vielzahl von Manuskripten,
Artikeln und Büchern – geschrieben auf Englisch, Französisch,
Portugiesisch, Deutsch und Tschechisch – niederschlägt und sich auch
nach seiner Rückkehr nach Europa 1972 fortsetzen wird. Flussers Denken
ist geprägt durch die Erfahrung des Holocaust – seine gesamte Familie
wird in Konzentrationslagern ermordet – und des Exils und geschult am
Existentialismus Heideggers und der Phänomenologie Husserls. Der
nationalsozialistische Massenmord wird in seinen Schriften selten
explizit Thema, ist jedoch insofern Subtext, als Flusser nach den
kulturellen und technologischen Bedingungen sowie ihren Wirkungen auf
den Menschen fragt, welche in der Moderne dominant wurden und, seiner
Ansicht nach, am Aufstieg des Faschismus beteiligt waren. In seinem
Denken spielt, die Form der Medialität von Gesellschaft eine enorme
Rolle, da sie Denken und Selbstverständnis des Menschen prägt. In „Lob
der Oberflächlichkeit” skizziert Flusser eine Art
Geschichtsphilosophie, welche sich auf die Art der „Codes” konzentriert,
welche die als kommunikatives Netz vorgestellte Gesellschaft fundieren
und konfigurieren: Die Einführung der linearen Schrift hätte die
Dominanz der „magisch” wirkenden und unmittelbar wahrnehmbaren Bilder
gebrochen und durch die sequentielle Anordnung der Zeichen
hintereinander ein gesellschaftliches Zeitbewusstsein geschaffen. Aus
der Potentialität der auch Zahlen umfassenden linearen Schrift, welche
Natur beschreibbar und letztlich beherrschbar macht, entwickelt sich
nach Flusser die Moderne und letztlich, über den Schritt der Erfindung
der Fotografie, das technisch-digitale Medienuniversum, welches unsere
gegenwärtige Lebenswelt prägt. Aus dieser medien- und
technologiezentrierten Perspektive sind es die Umbrüche in der so
fundierten kommunikativen Struktur der Gesellschaft, welche historische
Entwicklungen erklären: Die entfremdenden und verdinglichenden Folgen
von Technologisierung, Bürokratisierung und instrumenteller Wissenschaft
sind für Flusser, wie er in seinem nie veröffentlichten Manuskript „Unto
the Third and Fourth Generation”, entstanden in den 1960er Jahren,
darlegt, die fatalen Grundlagen für Nationalsozialismus und
antisemitischen Massenmord. Die bereits hier anklingende medien- und
technologiekritische Perspektive, welche das bildhaft „magische” Denken
der Idolatrie dem kausalen Denken der Schrift und dem
„nachgeschichtlichen” Denken der Digitalkultur gegenüberstellt, zieht
sich als Strang durch Flussers Werk. So verweist Flusser in seinem 1983
publizierten „Für eine Philosophie der Fotografie”, nachdem er den
historischen Widerstreit zwischen „magisch” wirkenden Bildern und
geschichtliches Bewusstsein stiftenden Texten skizziert hat, auf die
gesellschaftlichen Gefahren, die sich aus der Dominanz der durch die
Erfindung der Fotografie entstandenen „technischen Bilder” und den
resultierenden Veränderung des Bewusstseins und der
Kommunikationsstruktur ergeben: Die Bilder übersetzen die Realität in
scheinbar eindeutige Sachverhalte und befreien die Betrachtenden von der
Notwendigkeit des begrifflichen Denkens. Gleichzeitig erkennt Flusser im
Fotoapparat und allgemein in der Vielzahl nun präsenten Apparate eine
eigene Machtsphäre, welche die Menschen zu Funktionären der Apparate
macht und somit wirkliche Autonomie verhindert. Diese Kritik weist
augenscheinliche Parallelen sowohl zu Sonnemanns Kritik der
„Okulartyrannis” auf – beide verstehen die Dominanz der Bilder als
potenziell reflexionshemmend – als auch zur Kritik der
„Kulturindustrie” der Kritischen Theorie. Während letztere jedoch einen
gesellschaftskritischen Ansatz verfolgt, und zwar Medien und Technologie
mit in den Blick nimmt, letztlich diese aber in erster Linie auf ihre
herrschaftsförmige Funktion hin befragt und immer auf die materielle
Basis rekurriert, bleibt Flussers phänomenologischer Blick an Technik
und Medien hängen. In seiner Übertragung von gesellschaftlichen
Dynamiken auf die Ebene der Technik, bei gleichzeitiger Ausblendung von
Ideologie, materieller Basis und Gruppeninteressen, ähnelt Flussers
Ansatz einer Weiterentwicklung der Thesen, die Martin Heidegger bereits
1954 in „Die Frage nach der Technik” formuliert hat. Im
Gegensatz zu Heidegger formuliert Flusser jedoch an verschiedenen
Stellen einen utopischen Entwurf einer menschlich-technologischen
Zukunft, in welchem durch weitgehende technologische Automatisierung ein
Freiheitsgewinn für alle Menschen errungen wird. Im Zentrum dieser
utopischen Vorstellung steht, wie in seinem Aufsatz „Vorschrift.
Nachtrag zur Schrift”, veröffentlicht im August 1985 in den „Spuren
in Kunst und Gesellschaft”, die Verwirklichung Dialogischer
Kommunikation – womit sich auch auf Ebene des dem überwältigenden
Bildhaften Entgegengesetztem eine Parallele zu Sonnemann zeigt, welcher
das erfahrende Hören im Gegensatz zum registrierenden Sehen ebenfalls
mit dem Dialogischen konnotiert. Diesem Aufsatz beigefügt ist eine
Leserbrief Sonnemanns, der sich direkt an Bergfleth richtet und sich auf
dessen „Die zynische Aufklärung” bezieht: Er versteht Bergfleths
antisemitischen Text als jüdischer Autor, der inzwischen wieder auf
deutsch publiziert, als direkt ihn betreffend und verdeutlicht
gleichzeitig, dass jener Antisemitismus der Grund war, warum er über
Jahre nicht mehr deutschsprachig publizierte.
In der gleichen Ausgabe der „Spuren in Kunst und Gesellschaft” wird ein
Auszug von Sonnemanns Replik auf Bergfleth von 1980 mit einem Nachsatz
Sonnemann zur aktuellen Auseinandersetzung abgedruckt: Er stellt fest,
dass die in seiner fünf Jahre zuvor prognostizierte Tendenzwende sich in
Bergfleths Fall manifestiert hat, dass dieser aufgrund verschlossener
Ohren die kritische Replik nicht wahrnahm und an Vilém Flusser
gerichtet, dass dieser die Wahl der Publikationssprache nicht von
Bergfleth abhängig machen solle.
In den über 30 Jahren, die seit der dargestellten Auseinandersetzung
vergangen sind, hat sich weltweit die dominante mediale Struktur auf so
enorme Weise verändert, dass der philosophische Subtext der
Auseinandersetzung – die kritisch bis utopische Medientheorie Flussers
und die Anthropologiekritik und Sinnesphilosophie Sonnemanns – wohl
eher an Relevanz zu-, statt abgenommen hat. Für die seit mindestens
einer Dekade stark drängende Frage, wie die suggestive Macht der in den
sozialen Medien algorithmisch vermittelte auf uns einströmende Masse an
vor allem bildhaften Inhalten gesellschaftlich und politisch einzuordnen
und zu kritisieren ist, wäre es ein fruchtbares Unterfangen, sich die
Werke beider Denker ins Gedächtnis zu rufen. Dabei ist trotz der
scheinbar diametralen Fundamenten ein synergetisches Vorgehen denkbar:
Flussers hellsichtiger und phänomenologischer Blick auf die
technologische und mediale Infrastruktur könnte durch Sonnemanns Kritik
von Ontologisierung und Anthropologisierung ergänzt werden, um nicht
verkürzend gesellschaftliche Dynamiken auf die „Apparate” zu
projizieren, sondern eine tatsächlich herrschaftskritische Perspektive
einnehmen zu können. Anlässe dazu gibt es genug: In Kreisen der Neuen
Rechten und des Umfelds des sogenannten „Dark Enlighenments” lebt die
Absage an Emanzipation und Aufklärung, wie Sonnemann sie bei Bergfleth
diagnostizierte, teilweise gekoppelt mit einem technologisch
konzeptualisierten Akzelerationsimus, fort. Angesichts dieser
Bedrohungen ist kritisch emanzipatorische Theoriebildung, welche Medien,
Technologie und die „Herrschaft der „Bilder” mit in den Blick nimmt,
wohl notwendiger denn je.
14 May 2021
Ich folge in den Sozialen Medien vielen Künstler*innen, Autor*innen,
Musiker*innen und Fotograf*innen. Sie machen – nicht zuletzt weil der
Großteil meiner Freund*innen in den Sozialen Medien nur mäßig aktiv ist
– den Großteil der Inhalte aus, welche ich auf Instagram und Facebook
konsumiere. In der Folge des zunehmend gewalttätig eskalierenden
Konflikts zwischen israelischen Sicherheitskräften und palästinensischen
Aufständischen ab Anfang Mai 2021, die ihren Ausgang um die Al-Aksa
Moschee und das Viertel Scheich Dscharrah in Jerusalem nahmen, zeigte
sich beim Blick in die entsprechenden Apps ein einhelliges Bild: Gerade
solche Künstler*innen, die sich selbst als politisch und progressiv
erachten, solidarisieren sich auf eine Art und Weise mit der
palästinensischen Seite, die in ihrer Vehemenz und Klarheit erstaunt.
Dabei erinnert die Form der Solidarität an Kampagnen in den Sozialen
Medien aus der Vergangenheit, wie die aufgrund ihres Reduktionsimus
und ihrer Einseitigkeit kritisierten Aktion "Dj's for
Palestine".
Für diese also nicht ganz so neue Weise eine vermeintlich kritische
Haltung auf der eigenen Social Media-Präsenz zu repräsentieren sind
verschiedene Form- und Inhaltselemente charakteristisch: In der
Instagram-Story einer Illustratorin, der ich eigentlich aufgrund ihrer
gut beobachteten, filigran gezeichneten und mit Wasserfarbe kolorierten
Stilleben folge, begegneten mir "Infoslides", die die liebevoll
gezeichnete Unterhaltung zwischen zwei Frauen wiedergeben, wobei die
eine der anderen den Konflikt erklärt. Ob es sich denn nicht nur um
einen religiöse motivierten Konflikt handeln würde? Nein, dem ist nicht
so, erklärt die andere Frau. Ihre erklärenden Worte verdichten sich auf
die für jeden leicht verständliche Zuspitzung "Israelis are the
oppressors and palestinians are the oppressed".
Nun ist es allgemein fraglich, ob der manichäische Dichotomismus
Unterdrücker vs. Unterdrückte zur Erklärung von Konflikten, die sich vor
einem gesellschaftlichen, politischen und historischem Hintergrund
entfalten, hinreichende Erklärung sein kann. Es gibt Fälle, in denen er
einleuchtet: Wenn Angehörige einer islamistischen Terrororganisation
eine Schule in Kabul als Anschlagsziel wählen und für über 50 Todesopfer
sorgen,
scheint die Verteilung von Schuld und Verantwortung sehr klar zu
sein. Wenn die myanmarischen Streitkräfte gegen das Ergebnis einer
demokratischen Wahl putschen und bei der Niederschlagung von Protesten
eine Vielzahl von Todesopfern und Verletzten in Kauf
nehmen, wäre
die Einteilung in unterdrückt und unterdrückend ebenfalls eine legitime
und zutreffende Beschreibung der Realität. Dass sich in den Sozialen
Medien allerdings vermeintliche Erklärungen des gegenwärtigen
israelisch-palästinensischen Konfliktes, die auf diese radikale
Dichotomisierung zurückgreifen, massenhaft verbreiten, scheint auf
psychologischer und kognitiver Ebene erklärungsbedürftig – beschießen
doch die militärischen Kräfte der Hamas, welche die Beseitigung Israels
und die Errichtung eines antidemokratischen und islamistischen Staates
als Gründungsziel hat, seit Tagen zivile Ziele auf israelischem Gebiet
mit hunderten von Raketen, verwenden die eigene Zivilbevölkerung als
Schutzschild und tragen in keiner Weise dazu bei, die militärische
Auseinandersetzung im Interesse der eigenen Bevölkerung zu beenden oder
einzuschränken.
Erklären lassen sich die kognitiven und psychologischen Verrenkungen von
Nutzer*innen der Sozialen Medien, welche aus einer vermeintlich
kritischen und progressiven politischen Haltung heraus solche im Kern
antisemitischen Positionen massenhaft verbreiten, primär als
Manifestationen von ebendem: latentem Antisemitismus, der sich unter dem
Deckmantel angeblicher Anteilnahme Bahn bricht. In der gegenwärtigen
Konstellation innerhalb der Sozialen Medien werden jedoch zusätzlich
Dynamiken deutlich, welche zum einem dem Aufbau und der Funktion der
rahmengebenden Plattformen geschuldet sind und die zum anderen mit den
aktuellen Diskursverhältnissen in einem sich selbst als links und
progressiv verstehenden Online-Milieu zusammenhängen.
In seinem Aufsatz "Für eine Philosophie der Fotografie" von 1983 weist
der tschechisch-brasilanische Medienphilosoph Vilém Flusser unter
Bezugnahme auf den libanesischen Bürgerkrieg und die ihn begleitende
Berichterstattung auf die suggesitve Macht der Bilder hin: "Wir
reagieren auf den fotografisch dokumentierten Libanonkrieg nicht
historisch, sondern rituell magisch. [...] Alles in [der
Bildoberfläche] ist entweder gut oder böse - die Panzer sind böse, die
Kinder gut, Beirut in Flammen die Hölle, weiß gekleidete Ärzte die
Engel." Flusser weist darauf hin, wie die Bildhaftigkeit der
Berichterstattung mit den sie erklärenden Texten zusammenfällt, wie wir
"längst aller Erklärungen müde" sind und es "vor[ziehen],
uns an das Foto zu halten, das uns von der Notwendigkeit des
begrifflichen, erklärenden Denkens entlastet und uns die Mühe abnimmt,
den Ursachen und Folgen des Libanonkrieges nachzugehen: Wir sehen ja mit
eigenen Augen auf dem Bild, wie der Krieg aussieht." Der Mechanismus
der Vereindeutigung und Abwehr von Reflexion – des Herstellens von
Sachverhalten aus mehrdimensionalen und vielschichtigen Situationen –
findet sich im Teilen von "Infoslides" sowohl in deren Einbettung
zwischen Bildern des Leids aus dem Krisengebiet wieder, welche in ihrer
Gegenbüberstellung von modernem israelischen Kriegsgerät und
steinewerfenden palästinensischen Jugendlichen jeglichen kritischen
Reflex abtöten, als auch in der bildhaften Sprache des Unterdrückenden
und des Unterdrückten, welche eben nicht erklärt, sondern einen
Sachverhalt feststellt. Diese prägnante und bildhafte Form der
Vereindeutung, welche vermeintlich informiert, aber den Konsument*innen
in Wahrheit weder Raum für Reflexion noch die Wahl einer einzunehmenden
Haltung lässt und sich inhaltlich ideal in die Formvorgaben der
entsprechenden Plattformen einfügt, verbindet sich fast synergetisch mit
einer in Spielarten des gegenwärtigen Antirassismus verbreiteten
Haltung, die die eigene Positionierung über Inhalte und Analyse stellt.
Begriffe wie "ethnic cleansing", "military occupation",
"apartheid", "colonialism", "intersectional solidarity" und
"institutionalized violence" tauchen vielfach in den kursierenden
"Infoslides" auf, oft gesondert hervorgehoben. Sie erfüllen dabei
nicht etwa den Zweck die Situation zu erklären – was sie in anbetracht
des minimalen Kontextes, der um sie herum mitgeliefert wird, auch kaum
könnten. Sie verdeutlichen stattdessen, ähnlich wie die suggestiv
eingesetzten Fotografien und Videoaufnahmen, symbolisch welche Seite die
richtige und welche die falsche ist, kurz: welche Haltung die
Konsument*innen einzunehmen haben. Dem Motto "silence is violence",
welches im Rahmen der weltweiten Proteste aufgrund der Ermordung George
Floyds durch einen Polizisten im Mai 2020 Verwendung fand, folgend, ist
die logische und moralische Konsequenz aus der Eindeutigkeit, die sich
den Konsument*innen in der Form solcher "Infoslides" darstellt, das
Teilen ebendieser im eigenen Profil. Diese Dynamik beschleunigt die
Ausbreitung der – in diesem Fall antisemitischen – Inhalte, weil
sie seitens der Konsument*innen, wie Flusser beschreibt, vom reflexiven
Denken entlastet, die "richtige" Haltung mitliefert und teilweise in
Form von scheinbaren Informationen eine Legitimation für den eigenen
latenten Antisemitismus, der nun nicht nur geäußert werden darf, sondern
aus moralischen Gründen muss, an die Hand gibt. Gleichzeitig profitieren
die Plattformen, die die kurze, zu Reduktionismus verleitende und
schnell konsumierbare Form vorgeben, von Interaktion und Verweildauer
profitieren und kaum Ressourcen für Moderation bereitstellen, von den
konflikthaften und affektsteigernden Inhalten.
Das Eingedenken der medientheoretischen Dimension in das Verständnis der
Verbreitung von antisemitischen Inhalten und Desinformation kann helfen,
die massenhafte Verbreitung von antisemitischen Inhalten und
Desinformation in den Sozialen Medien zu verstehen. Der sich in den
Sozialen Medien ausbreitende Hass und die informativ daherkommenden
Fehlinformationen sind allerdings kein theoretisches Problem – sie
manifestieren sich aktuell in ganz realen Angriffen auf jüdische
Einrichtungen und Personen. Ihnen auf allen Ebenen entgegenzutreten und
reduktionistischer Vereindeutung reflexives Denken entgegenzusetzen,
muss das Gebot der Stunde sein.
04 Mar 2021
A slightly modified and abridged version of this text appeared on the Journal of the History of Ideas blog on 3/15/2021.
The position of the public intellecutal is a contested one. On the one
hand they play a significant role in the deliberation of social und poltical
affairs; on the other hand, there's a persistent skepticism toward their perception of the present, based on the widely held sentiment that it is inherently disconnected from reality—that, in short, it is nothing more than an observation from the top of the “ivory tower.”.In right-wing attacks against intellectuals, the latter are accused of representing an elitist, biased, and ultimately unrealistic view of society and current affairs.
This populist anti-intellectualism is by no means of recent origin: Already in his 1967 lecture “Aspekte des neuen Rechtsradikalismus” (“Aspects of Contemporary Right-Wing Radicalism”), Theodor W. Adorno noted the central role of anti-intellectualism in right-wing ideology. Hinting at its structural similarity to antisemitism, Adorno considered anti-intellectualism an ideology that perceives the intellectual
"as a kind of vagrant in life, an ‘air person’ [...]. According to
this ideology, whoever does not participate in the division of labour,
whoever is not bound by their profession to a particular position and
thus also to quite particular ideas, but has instead preserved their
freedom of spirit, this person is a kind of rascal who needs to be
brought into line."
Such undifferentiated populist and right-wing ressentiment against intellectuals, which presents one current in the ongoing attacks on academia, science, and the press, at times obscures the fact that self-critical reflection is an integral part of intellectualism itself. This is discernible in both Jean Améry’s and Hannah Arendt’s retrospective analyses of the rise of National Socialism and their critique of the passivity exhibited by some of the time’s most influential intellectuals. Not only do their respective reflections about said passivity and its causes give insight into their philosophy, but they also resonate in the crisis-ridden present in which the value of humanistic thinking may altogether appear questionable.
A similar critique? Hannah Arendt on Stefan Zweig and Jean Améry on Romain Rolland
The biographies of Arendt and Améry show significant parallels: Both were born before the First World War ended, both had to flee National Socialism, both attempted political resistance in some form, both were interned in the camp at Gurs for a while, and both made their experiences an object of their intellectual reflection after the war. Though their respective philosophies are marked by at times sharp contrasts—Améry, for instance, was very critical of Arendt’s concept of a “banality of evil,” which the latter famously developed in her book about the Eichmann-trial in Jerusalem—there are definitive parallels in the critical, intellectual self-reflections they developed in two essays, despite those essays being published more than thirty years apart:
Arendt’s “Portrait of a Period” (1943) is a critical review of Stefan Zweig’s memoir The World of Yesterday, an account of the personal and artistic path of the Austrian novelist, journalist, and playwright, and a depiction of prewar Austria-Hungary and Europe from Zweig’s own perspective. To Arendt, Zweig’s nostalgic—and, in light of Zweig’s suicide in 1942, quite tragic—autobiography is the manifest of a humanistic but in the end apolitical thinker, who was so entrenched in his own social circle that he made himself at home in a world that provided emancipation only to the famous. According to Arendt, Zweig thus experienced the rise of National Socialism in Europe not as a historical and hence inherently political and societal development, but rather as a natural catastrophe.
A similar sentiment is formulated in Améry’s “Von der Verwundbarkeit des Humanismus” (“On the vulnerability of humanism”), which was first published in 1981, three years after Améry took his own life, in the anthology Bücher aus der Jugend unseres Jahrhunderts (“Books from the youth of our century”). In the essay, Améry also takes Stefan Zweig’s The World of Yesterday as the starting point for his reflection on the humanistic intellectual in moments of crises. In contrast to Arendt, though, Améry does not dwell on Zweig but quickly transitions from The World of Yesterday to Romain Rolland, the French novelist, pacifist, and 1915 Nobel Laureate who was a close friend of Zweig, and his magnum opus Jean-Christophe. In both the author and his work, Améry recognizes the titular “vulnerability of humanism.” To him, this vulnerability is marked by a pacifistic attitude fixated on high culture, obsessed with arts, aesthetics, and high values. In its inwardness and gentleness, Améry argues, the vulnerable humanism of Rolland shies away from action, loses sight of reality, and “finally fails in a world in which even humanity must arm itself.” Rolland’s humanism, Améry concludes, is apolitical in the end—and thus ineffective.
The Paria, the Parvenue and the "gilded trellises": The roots of Hannah Arendt’s critique of Zweig
The similarity between Améry’s reflections about “vulnerable humanism” and Arendt’s critique of Zweig should not obscure the conflicting theoretical underpinnings of both texts. As Seyla Benhabib points out in The Reluctant Modernism of Hannah Arendt, Arendt’s biography of Rahel Varnhagen, which she completed while living in exile in Paris in 1938, offers a key to her political thinking. Varnhagen was a German writer during the late 18th and early 19th centuries who hosted an influential salon and was Jewish by birth but later converted to Christianity. Using the categories of the Pariah and the Parvenu in the biography, Arendt describes Varnhagen’s ambivalent relationship with her Jewish origin amidst the struggles of assimilation and aspired emancipation and analyzes her transformation from an ideal-typical Parvenu, who tries with all strength to adapt to the majority society and thereby self-denyingly rejects her own identity, to a Pariah, who, having come to terms with her own identity, is able to turn it from a social flaw into a form of individual resistance. Yet Arendt also criticizes a mode of interacting with the world that she considers a prominent feature of Varnhagen’s cultural and intellectual engagement with the world: “Innerlichkeit,” an introspective way of thinking and understanding, which is mostly concerned with subjective feelings and emotions. Indeed, in the book Arendt argues that this attitude leads to a confusion and, eventually, neglect of the boundaries between the private and the public sphere that she considers crucial for genuine political action, which presupposes mutuality in the shared public sphere.
This differentiation between the Parvenu and Pariah, together with her profound critique of a nonpolitical “Innerlichkeit,” can be seen as the key element of Arendt’s critique of Zweig. From this perspective, her condemnation of Zweig’s withdrawal into a “sanctuary” secluded by “very thick […] gilded trellises” emerges from her idea of the Parvenu: it is Zweig’s way of positioning himself as an ideal-typical Parvenu who achieved individual emancipation by fame and success while at the same time not reflecting his own identity, which first abets a delusional perception of reality and then consequentially leads to living the apolitical life lamented by Arendt. This backdrop of Arendt’s critique also becomes apparent in the way she analyzes Zweig’s nostalgic depiction of prewar Europe, which interweaves descriptions of arts and culture with articulations of his subjective feelings and thus invites comparison to the “Innerlichkeit” of Varnhagen.
Disillusionment in the face of subjective suffering: Jean Amérys thought on the “vulnerability of humanism”
While for Améry, Jewish identity also proved an important topic throughout his work—he discusses the experience of being “made” a Jew by the Nazis as an atheist with little knowledge about Jewish culture in his essay “On the Necessity and Impossibility of Being a Jew”, for example—it does not constitute the underlying theme of his critique of “vulnerable humanism.” For him, it is not Romain’s personal withdrawal into a secluded elitist cultural sphere, or his denial of a forced identity and concomitant desire to fit into a society that is hostile toward him, but rather his model of humanism that forms the object of critique.
Born as Hanns Chaim Mayer in Austria, Améry felt at home in both the rural area of the Salzkammergut and existential philosophy with its focus on nature and its yearning for authenticity throughout his youth. In his autobiographically inspired essay collection Unmeisterliche Wanderjahre (“Unmasterly wandering years”), Améry looks back on this youthful affection and his following enthusiasm for the Logical Empiricism of the Wiener Kreis as submissions under different systems of thought that nevertheless proved delusional in their own ways: neither one of the two, Améry argues, takes the reality of society or history into account when formulating a comprehensive understanding of the world.
This self-critical retrospection is strongly informed by Améry’s
experience of being persecuted, tortured and interned in different
concentration camps. In his essay "At the Mind's
Limits" Améry reflects upon
"the intellectual in Auschwitz". He describes how neither
analytical thinking nor an aesthetic understanding of the world were of
any value in the brutal world of the camp because they lost their
foundation in social reality. Améry thus concludes that the camp internment provided the intellectual who was lucky enough to survive with a profound “philosophical disillusionment, for which other, perhaps infinitely more gifted and penetrating minds must struggle a lifetime.”
A subjective experience of suffering is central to Améry’s essayistic writing and foundational for his sharp, concise, and sometimes painfully honest observations. Indeed, it is the experience of a “philosophical disillusionment”—the realization, that thought must correspond to (social) reality in order to be meaningful—that shaped not only his retrospective assessment of his own early philosophical leanings, but also his critique of “vulnerable humanism.” For Améry, a humanistic intellectualism that is constrained by its own system of thought ultimately inhibits an active and politically meaningful stance toward the world. This insight is the basis from which Améry criticizes the dreamy and hopeful worldview of Rolland’s Jean-Christophe, which in his eyes amounts to a denial of reality and effectively undermines Rolland’s humanistic intentions.
The challenge of a undistorted view: Echoes of differently rooted critiques of intellecutal ideology
Considering their similar biographies, it comes at no surprise, then, that both Arendt and Améry emphasize the importance of the critical intellectual as a cautious observer of society and politics. Precisely because of this shared, historically conditioned awareness, both warn of the pitfalls inherent in a self-isolating intellectualism.
Yet when contextualized with the respective body of work, the seemingliy
similar positions point to their respective theoretical underpinning and
distances begin to appear: while Arendt focusses on issues of social
positionality, identity and the connected repercussions on the ability
to understand the current social reality, Améry is concerned with
delusional aspects of humanistic intellectual thought itself. The
contours of thought which respectivelly emerge in the light of this
closer look on the one hand call us to a more intense practice of
reading and understanding. On the other hand it is to be hoped that the
rejection of the flight into intellectual illusory worlds and the fading
out of social and historical reality, which is strongly expressed in
both essays, will be heard – it has not lost its relevance.